
Nathalie, unser heutiger Guide führt uns zunächst in die Geschichte von Marseille ein, eine lebendige und multikulturelle Stadt und die zweitgrößte Frankreichs mit 876 000 Einwohnern und sogar über einer Million, wenn man die Umgebung mit einbezieht. Die Geschichte ist wechselvoll: zuerst die Griechen, dann die Römer, Einwanderung und Handel verdankt sie ihren Ursprung. 1721 wütete die Pest und von den damals hier lebenden 90 000 Menschen verstarben 50 000. Im 16. Jahrhundert blühte der Handel mit den Kolonien und mit der Eroberung Nordafrikas um 1830 entwickelte sich die Stadt zum größten Hafen Frankreichs. 1943 wurden große Teile der Altstadt von den Deutschen und Italienern gesprengt und 1943/44 bombardierten auch die Alliierten das Gebiet. Während dem Algerienkrieg kamen viele Rückwanderer aus den Kolonien, sowie Einwanderer aus dem Maghreb und Schwarzafrika – deswegen musste neuer Wohnraum geschaffen werden. Wir besuchen Notre-Dame de la Garde, das Wahrzeichen der Stadt, die auf einem 157 Meter hohen Felsen thront und der „Bonne Mère“ ist. Die 11 Meter hohe und 150 Tonnen schwere, vergoldete Madonnenstatue mit eingebauter Treppe ist schon imposant anzusehen. In der Wallfahrtskirche zieren Votivgaben, denen Wunder nachgesagt werden, sowie Flugzeug- und Schiffsmodelle und ein wunderbares Mosaikrelief die Wände. Der alte und der neue Hafen beherbergen Boote aller Art und Größen. Das älteste Viertel von Marseilles ist das Panier, durch das wir eine Weile spazieren gehen, es kommt einem so vor, als weile man in einem bunt bepflanzten Dorf – die kleineren Geschäfte besitzen nicht die Eleganz der „großen“ Marken in der Einkaufsmeile der Stadt, sondern eher Nischenprodukte (wie Boggiakugeln) – individuell und mit Herzblut geführt. Man wünscht der teils ärmeren Schicht, dass sie nicht das gleiche Schicksal wie z. B. in Berlin-Kreuzberg ereilt. Wohnraum mit zu hohen Mieten sind dann nicht mehr bezahlbar und sie müssten voraussichtlich mit Plattenbauten außerhalb der Stadtmitte vorliebnehmen – noch mehr sozialer Sprengstoff, wovon es hier schon genug gibt, man denke nur an den Drogenhandel, den der große Hafen begünstigt. Schade, dass die Zeit dort zu kurz ist, um noch mehr von dieser Stadt kennenzulernen, die so ganz anders rüberkommt, als wir es im Vorfeld gedacht hatten. Nach Rückkehr zu unserem Campingplatz in Cassis findet dann noch die Fahrerbesprechung für den kommenden Tag statt.